Magische(s) Gestalten in der christlichen Welt
Über die Bedeutung von Zauberern, Magiern und Hexen und ihre »Lenkung der Dinge« in der italienischen Literatur der Renaissance

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Das Projekt Magische(s) Gestalten in der christlichen Welt. Über die Bedeutung von Zauberern, Magiern und Hexen und ihre »Lenkung der Dinge« in der italienischen Literatur der Renaissance wird seit 1. Februar 2017 von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert. Das Projekt kooperiert eng mit dem Stuttgart Research Center for Text Studies (SRCTS) und dem Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT). Zwei Promotionen, zum Epos und zum Theater des Cinquecento, entstehen u.a. im Rahmen des Projekts.

Konzept

 

Die italienische Renaissance gilt als ein besonderer Höhepunkt in der Auseinandersetzung mit Texten magischer Prägung. Einschlägige theoretische Texte von M. Ficino, G. Pico della Mirandola oder G. Bruno wurden von der Forschung bereits aufgearbeitet. Zu literarischen Texten der Renaissance und der Bedeutung der zahlreichen magischen Figuren darin fehlt jedoch bislang eine systematische Darstellung. Weder ist ihre handlungsstrukturierende Funktion analysiert worden, noch die in ihnen sichtbar werdende Anthropologie historisch erschlossen. Dies soll nun im Rahmen des Projekts geleistet werden. Weitere Ziele sind, die literarischen Magie-Darstellungen mit zeitgenössischen Aussagen theoretisch-dämonologischer Texte abzugleichen und sie nach Gattungen zu differenzieren.

Die Zauberer bzw. Magier und Hexen werden dabei zum einen als Reflexionsfiguren des philosophischen Gedankenguts gesehen, zum anderen als Verkörperung und Auslotung der Grenzen des christlich-katholischen Denkens, da etwa die Inquisition die Literatur u. a. als Beleg für die Existenz von Hexen nutzte. Das magische Handeln wird mit dem Konzept einer »Lenkung der Dinge« gefasst (so bezeichnet Thomas von Aquin das Wirken von Engeln und Dämonen im Dienste Gottes), die primär konkret-wörtlich zu verstehen ist. Gelenkt werden Gegenstände durch Verwandlung oder Translokation, Schicksale, etwa durch Vorhersagen, und v. a. Wahrnehmungen in Form von Illusionen oder Täuschungen. Im Rahmen des Projekts wird ermittelt, wie die literarische Darstellung dieses konkreten Handelns ggf. in eine allegorische Textdimension eingebunden ist.

Als Vorbereitung werden zunächst theologische und medizinische Vorstellungen der Renaissance aufgearbeitet, die für die »Lenkung der Dinge« relevant sind (Dämonologie, Humoralpathologie, Spiritus-Lehre samt des darin modellierten Zusammenhangs von Körper und Geist sowie von Makro- und Mikrokosmos, Imaginationslehre, Optiktheorien etc.). Im Anschluss daran werden - in jeweils einer Monographie - die beiden Renaissance-Gattungen untersucht, in denen die magischen Figuren hauptsächlich vorkommen, nämlich das Epos und die »commedia erudita«. Es ist geplant, die diversen Magiedarstellungen analytisch herauszuarbeiten, an die epistemischen Grundlagen ihrer Zeit rückzubinden und auf die ihnen zugrundeliegende Anthropologie hin zu beleuchten.

Herausragendes Ziel ist es dabei, die in den literarischen Texten anschaulich vermittelten anthropologischen Verfahren, die durch die magischen Gestalten erkennbar werden, im Sinne des theologischen Wissens der Zeit systematisch heraus zu präparieren und die Rolle der Literatur als Reflexionsmedium dieses Wissens auszuweisen.

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Fragestellung

 

Das Projekt fragt nach der Bedeutung magischer Gestalten in literarischen Texten der italienischen Renaissance und dabei vor allem im Epos und der commedia erudita. Ausgangspunkt hierfür ist die schlichte Tatsache, dass auf denjenigen Marktplätzen, auf denen sogenannte Hexen verbrannt wurden, zugleich auch ephemere Bühnen für die Theaterstücke mit Magiern genutzt wurden. Für die gemeinsame Arbeit geht das Projekt von einschlägigen mentalitäts- und anthropologiegeschichtlichen Studien aus, die an der Deutung der Epoche als christlich geprägt festhalten, um anhand entsprechender Grundlagenstudien und dämonologischer Texte einen binnendifferenzierenden Blick auf literarische Texte richten zu können. Das Projekt möchte mit seinen Antworten einen Beitrag zur Historisierung von Lektüren literarischer Darstellungen von Magie bezüglich der Debatten um den christlichen Glauben in der italienischen Renaissance leisten.

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Projektbereiche

 

1. Magisches Gestalten als Lenkung der Dinge: Christliche und heidnische Magie in Torquato Tassos Gerusalemme Liberata

Die Bedeutung magischer Gestalten in Tassos Gerusalemme Liberata wird nicht metaphorisch aufgezeigt, sondern im Kontext frühneuzeitlicher Vorstellungen einer Lenkung der Dinge: Ihre dämonische Gestaltungsmacht weist die primären magischen Figuren Ismen und Armida als Stellvertreter einer magia daemoniaca und somit als Antagonisten einer magia naturalis aus und identifiziert sie als Widersacher göttlicher Ordnung. Die unterschiedliche Konzeption der Figuren lässt mit Bezug auf zeitgenössische dämonologische Schriften, wie den Hexenhammer, erkennen, dass über sie Form, Existenz und Erkenntnismöglichkeit des Bösen verhandelt wird. Der im Epos dargestellte Kampf um die Befreiung Jerusalems wird somit als Abbild des eschatologischen Kampfes der Zeitgenossen gegen das Böse gedeutet und das als "Werk der Gegenreformation" bewertete Epos als Auseinandersetzung über die zeitgemäße Abwehr des Bösen.

Mitarbeiterin: Irene Herzog (Homepage)

2. Der Magus auf der Bühne – Zu Konzeption und Bedeutung unterschiedlicher Magierfiguren in italienischen Theaterstücken der Renaissance

Der Magier als Typus der Renaissance-Literatur lässt sich in einer Vielzahl von Komödien wiederfinden, darunter beispielsweise Ariostos Il Negromante, Machiavellis La Mandragola, Brunos Il Candelaio oder Della Portas L’Astrologo. Die Pluralität der Komödien entspricht dabei der figuralen Variationsbreite selbst, die den Magier mal als kundigen astrologo, mal als pragmatischen medico und zuweilen auch als lenkenden vinculatore zum Ausdruck bringt. Stets entpuppt sich der Magier dabei zuletzt allerdings als Scharlatan, Trickser und Quacksalber, dessen eigentliches Ziel die eigene Bereicherung zum Schaden seines Gegenübers ist. Im Projekt werden diese Facetten der Figur beleuchtet und analysiert, die (auch autorenspezifisch) einen je anders gewichteten Zugang zur Magie mitbedenken, die auch für das komische Theater des Cinquecento relevant sind. Hierfür werden ausgewählte Renaissance-Komödien verglichen, in denen ein Magus auf der Bühne gezeigt wird. Ziel ist es, die Komplexität des Magus als Typus herauszuarbeiten. Gerade das Theater erlaubt es, die Ambivalenz von Magie des Theaters und Theater der Magie zu erkennen und zugleich die unterschiedlichen Formen von Gestaltungsmodi im Theater textnah herauszuarbeiten.

Mitarbeiter: Stefan Bayer (Homepage)

3. Magische(s) Gestalten und die Lenkung der Dinge in der Renaissance

Der Hexenhammer (Heinrich Kramer, Malleus Maleficarum, 1486) als Grundlagenwerk für die Inquisition kompiliert die gängigen Argumente der anthropologischen Konzepte, etwa der augustinischen Spiritus-Lehre mit ausführlichen Exempla der dämonischen Aktivitäten, die in Italien durch die hohe Auflage des Textes und über den Dialog La strega von Gianfrancesco Pico eine breite Rezeption erfahren haben.

In einem Expertenworkshop werden die Grundlagen des Projekts diskutiert und die Beiträge der Gäste anschließend in einem gemeinsamen Konzeptband veröffentlicht.

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Kooperationspartner

 
  1. Stuttgart Research Centre for Text Studies (SRCTS)
  2. Internationales Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT)
  3. Deutsches Forum für Kunstgeschichte (DFK), Paris
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