Das Meerwunder [PDF]
| | | Nun hort und schweigt zu disser stunt:[Bl. 193r] | Hört jetzt (gut) zu und seid still:
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| | | Ich mach euch abentewer kunt | Ich mache Euch eine abenteuerliche Geschichte
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| | | Von einer kungine. | Von einer Königin bekannt.
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| A | | Die was eim kunig lobesan. | Die gehörte zu einem vortrefflichen König.
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5 | A | | Do wuchs ein teuffellicher man, | Damals wuchs ein teuflischer Kerl heran,
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| | | Der wolt die frawen gewine. | Der sich die Dame unterwerfen wollte.
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| A | K | Er tet ir leides gar genug, | Er tat ihr viel Leid an,
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| | | Als ir hernach wert horen. | Wie ihr anschließend noch hören werdet.
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| | | Er was so grimig und unfug, | Er war so grimmig und unbändig,
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10 | | | Al weib wolt er betoren. | Und er wollte alle Frauen um ihre Ehre bringen.
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| | | Er trug den reinen frawen has. | Er hasste die keuschen Damen.
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| | | Wo ym eine mocht werden, | Wo immer er eine erwischte,
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| | | Die schwecht er und sie darnach fras. | Vergewaltigte er sie und fraß sie dann auf.
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| | | Nun mogt ir horen, wan er kom, | Nun sollt ihr erfahren, woher er abstammte,
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15 | | | Derselbe teuffellische stom, | Er, dieser teuflische Abkömmling,
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| | | Von wem er wurd geporen: | Und von wem er geboren worden war:
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| | | Es sass ein edel fraw so her | Es lebte eine edle und vornehme Dame
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| | K | In Luneria pei dem mer, | In Luneria an der Küste,
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| | | Ein kungin ausderkoren. | Eine ganz auserwählte Königin (war sie).
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20 | | | Die ging spacziren fur den walt | Die ging am Waldesrand spazieren,
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| | | Dort pei dem mer so wilde. | Dort am tobenden Meer.
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| | | Do kom ein merwunder gar palt, | Da kam plötzlich ein Meerungeheuer schnell daher,
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| | | Ein graussamliches pilde. | Das entsetzlich anzuschauen war.
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| | | Das schwecht die frawen ausderkorn | Das vergewaltigte die auserwählte Königin
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25 | | | Mit noten uber iren danck. | Und nötigte sie mit Gewalt gegen ihren Willen.
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| | | Dovon der weidman wart geporn. | Das führte zur Geburt des Frauenjägers.
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| | | Die fraw die leid gros angst und not, | Die edle Dame erlitt große Angst und Not,
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| | | sie wer nahent gestorben dot[Bl. 193v] | Das Meerungeheuer hätte sie
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| | | Wol von dem merewunder. | Fast ums Leben gebracht.
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30 | | K | Er czwanck sie uber iren danck | Es bezwang sie gegen ihren Willen,
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| | | Und das die fraw wart totlich kranck | So dass die Frau tödlich geschwächt wurde
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| | | Von dem graussamen kunder: | Von dem grausamen Untier:
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| | | Es het fus als ein fledermaus | Es hatte Füße wie eine Fledermaus
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| | | Und was rauch als ein pere, | Und war behaart wie ein Bär,
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35 | | | Ging aufgericht in hohem praus, | Es lief äußerst schnell auf zwei Beinen,
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| | | Recht als es ein mensch were. | Ganz so, als wäre es ein Mensch.
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| | | Es het augen nach falcken art, | Augen hatte es wie ein Falke,
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| | | Sein maul was einer spane weit, | Sein Maul war eine Spanne breit,
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| | | Uber sein prust so ging sein part. | Über seine Brust hing ihm der Bart.
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40 | A | | Die fraw gar nachent tot beleib, | Die Frau blieb halbtot liegen,
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| | | Pis das der teuffel do vertreib | Bis der Teufel seiner Lust
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| | | Sein lust do mit der frawen. | An der Dame Genüge getan hatte.
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| | | Sie sprach: "awe der grossen not! | Sie sagte: „Ach, welch große Not!
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| | | Nun wolt ich lieber ligen dot | Ich wäre lieber tot
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45 | | | Den das ich hie sol schawen: | Als dies hier erleben zu müssen:
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| | | So gar ein ungehewres pild | Ein derart monströses Wesen
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| | | Sol mir mein leib beczwingen. | Soll mich (vollkommen) bezwingen.
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| A | K | O her, nun pis mein schirm und schilt, | Ach Herr (und Gott), sei du nun mein Schirm und Schild,
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| | | Las mir nit misselingen! | Lass mir nichts Schlimmes widerfahren.
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50 | | | Sol ich dem wessen untertan, | Muss ich demjenigen untertan sein,
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| | | Der als ein teuffel ist gestalt? | Der wie ein Teufel aussieht?
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| | | Nit lang ich das gedulden kan." | Ich kann das nicht lange ertragen.”
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| | | Do reit ein edel furst so her, | Da kam (plötzlich) ein vornehmer Fürst herbeigeritten,
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| A | | Der gunt do iagen pei dem mer | Der dort an der Küste auf die Jagd
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55 | | | hirs, hinden und manck wilde.[Bl. 194r] | Nach Hirschen, Hirschkühen und anderem Wild gehen wollte.
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| | | Do schrey die fraw so wol getan: | Da schrie die schöne Dame:
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| | | "Helft mir, ir tugenthafter man, | „Helft mir, Ihr rechtschaffener Mann,
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| | | Hie von des teuffels pilde!" | Dem Ebenbild des Teufels hier zu entkommen!”
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| | | Das merwunder hub sich darvon | Das Meerungeheuer machte sich auf und davon
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60 | | | Und het sich schir verkrochen. | Und hatte sich sogleich verkrochen.
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| A | | Do sprach der furst so wol getan: | Der vornehme Fürst sagte:
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| | | "Fraw, was hat euch geprochen, | „Edle Dame, was fehlt Euch,
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| | | Das ir so iemerlichen schreit? | Dass Ihr so erbärmlich klagt?
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| | | Sagt mir ewr not und all ewr clag. | Erzählt mir von Eurem Leid und all Eurer Not.
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65 | | | Kan ich, ir wert von mir gefreit." | Wenn ich es kann, so errette ich Euch daraus.”
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| | | Do sprach die fraw gar wol getan: | Da erwiderte die sehr schöne Dame:
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| A | | "Ach her, ich was in dissen tan | „Ach Herr, ich war in diesen Wald
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| A | | Durch kurzweil her gegangen. | Gegangen, um mir die Zeit zu vertreiben.
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| | | Do kom ein graussamlicher degen, | Da stürzte sich ein schreckliches Ungetüm auf mich,
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70 | | | Der hat gewalcz hie mit mir pflegen. | Das mir hier Gewalt angetan hat.
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| | | Mir wart nie zeit so langen. | Die Zeit schien mir still zu stehen.
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| | | Nun hat euch got wol her gesant, | Nun hat Gott Euch zur Rettung her gesandt,
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| | | Es wer gewest mein ende! | Ansonsten wäre es mein Ende gewesen!
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| A | | Do ir komt, der teuffel verschwant | Als Ihr aufgetaucht seid, ist der Teufel
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75 | | | Von mir also behende. | Schnell von mir geflüchtet.
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| | | Und wert ir mir zu trost nit kumen, | Aber wenn Ihr mir nicht zu Hilfe gekommen wärt,
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| | | Ich mein, das teuffellische pild | Glaube ich, dass das teuflische Ungeheuer
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| A | | Het mir mein leben gar genumen. | Mir das Leben genommen hätte.
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| | | Des ist bekumert hie mein sin." | Deshalb bin ich noch ganz betrübt.”
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80 | | | Er sprach: "wo ist der teuffel hin? | Er erwiderte: „Wo ist der Teufel denn hin?
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| | | fur war, ich wolt euch rechen. | Wahrlich, ich möchte Euch rächen.
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| | | Und das ich in mocht kumen an, | Falls ich ihn erwischen könnte,
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| | | Sein leben must er mir hie lan | Müsste entweder er sein Leben lassen
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| | | Oder must mir meins prechen. | Oder mir meines nehmen.
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85 | | | Nun sagt mir, werde fraw so zart,[Bl. 194v] | Nun sagt mir (schon), edle zarte Dame,
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| | | Und wo er hin sey kumen." | Wo er hin geflüchtet ist.”
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| | | Do sprach die fraw von hoher art: | Daraufhin antwortete die vornehme Dame:
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| | | "Des hab ich nit vernumen | „Das habe ich nicht mitbekommen,
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| | | Und wo der teuffel kumen ist. | Wo der Teufel hin ist.
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90 | | | Ich mein, er sey im wildem mer, | Ich schätze, er ist in das tobende Meer (zurück),
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| | | Dar in sein wanung ist al frist." | Dorthin, wo er ansonsten immer lebt.”
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| | | Do sprach der edel furst so zart, | Da sagte der edle schöne Herr,
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| | | Der was ein here in Lampart: | Der in der Lombardei herrschte:
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| | | "So zichet mit mir heime | „Dann kommt mit mir heim,
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95 | | | Und al ewr sorg die sey gelegen. | Und all Eure Sorge sei vergessen.
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| | | Man sol ewr tugentlichen pflegen | Man wird sich vorbildlich um Euch kümmern,
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| | | Als zarten frawen reine." | Wie es einer schönen, anständigen Dame gebührt.”
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| | | Sie sprach: "mein her, des danck euch got, | Sie entgegnete: „Mein Herr, Gott belohne Euch dafür,
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| | | Edler her so lobesane. | Ihr edler ruhmreicher Herr.
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100 | | | Det ichs verleit, so sturb doch dot | Beklagte ich es, so würde doch
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| | | Doheym mein lieber mane. | Zuhause mein lieber Mann sterben.
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| | | Do ich heut morgen von ym ging, | Als ich mich heute Morgen von ihm verabschiedete,
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| | | Doch gab er mir lieblich sein kuss, | Gab er mir noch liebevoll einen Abschiedskuss,
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| | | Mit armen schon er mich umbfing. | Und umarmte mich zärtlich.
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105 | | | Ich kan sein nymer mer verclagen, | Ich kann es niemals mehr verschmerzen,
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| | | Das ich mich tet so vere wagen | Dass ich mich so weit hierher
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| | | Her in die grunen awen, | In die grüne Aue gewagt habe,
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| | | Das ich mein er verloren han. | Dass ich meine Ehre verloren habe.
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| | | Ich mein, auf erden nie kein man | Ich glaube, dass auf Erden kein Mann
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110 | | | Gewan als lieb ein frawen | Jemals eine Frau so sehr
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| | | Als mych mein her in ganczer lieb | Von ganzem Herzen liebgewonnen hat,
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| | | Het lieb von ganczem herczen. | Wie mich mein Gatte liebte.
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| | | Nun hot der teuffellische dieb | Nun hat der teuflische Dieb,
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| | | Gemert mein leid und schmerczen, | Der mir meine Ehre genommen hat,
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115 | | | Der mir mein er genumen hot.[Bl. 195r] | Mein Leid und meine Schmerzen vermehrt.
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| | | Und wirt sein yn mein lieber her, | Erfährt davon mein lieber Gatte –
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| | | Ich sprich fur war, so stirbt er dot." | Ich sage es, wie es ist – so stirbt er.“
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| | K | "Ach fraw, nun lat ewr senes clagn, | „Ach, meine Dame, nun lasst Euer schmerzerfülltes Klagen,
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| | | Do von do sol man nymant sagen, | Darüber soll man niemandem ein Wort sagen,
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120 | | | Ir wurd der sach beczwungen. | (Denn) Ihr wurdet vergewaltigt.
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| | | Wolt ir, ich gib euch gut geleit, | Wenn Ihr es wünscht, dann gebe ich Euch sicheres Geleit,
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| | | Pis ir kumpt in ewr sicherheit. | Bis Ihr (wieder) in euer Refugium gelangt.
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| | | Hot es euch mysselungen, | Wenn es Euch schlecht ergangen ist,
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| | | So secht euch furpas eben fur | So seht Euch beim nächsten Mal sorgsam vor
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125 | | | Und tut nit mer spacziren | Und spaziert nicht mehr
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| | | Allein für ewres hausses tur, | Allein vor der Tür Eures Hauses,
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| | K | So pleibt ir wol pei wiren. | Dann bleibt Ihr gewiss unversehrt.
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| | | Das sol euch sein ein warung gut | Dies soll Euch eine gute Maßregel sein:
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| | | Und get nit furpas in den hag, | Geht nicht weiter ins Grüne hinaus,
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130 | | | Ir wist den, das ir seit behut." | Außer Ihr wisst, dass Ihr behütet werdet.“
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| | | Die aussderwelte fraw gemeit | Der adelige Fürst geleitete
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| | | Der edel furste heim beleit | Die außerordentlich hübsche Dame
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| | | Pis an ir gut gewere. | Bis an die Grenze ihres Anwesens nach Hause.
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| | | Die fraw die was betrubet ser, | Die Dame war sehr betrübt,
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135 | | | Wan sie gedacht wol an ir er, | Denn sie dachte immerzu an ihre Ehre.
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| | | Ir hercz das was ir schwere. | Ihr Herz wurde ihr schwer.
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| | | Das gunt mercken der kunck lobsan, | Der lobenswerte König bemerkte,
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| | | Das sie was ser betrübet. | Dass sie sehr betrübt war.
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| | | Er sprach: "zart fraw, was ligt euch an, | Er sprach: „Liebreizende Gattin, was bedrückt Euch,
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140 | | | Das ir in leit euch ubet? | Dass Ihr Euch (so sehr) im Leid übt?
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| | | Was pricht euch, was ist euch geschechen? | Was fehlt Euch, was ist Euch geschehen?
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| | | Die weil ir habt gewant pei mir,[Bl. 195v] | Solange Ihr bei mir gewohnt habt,
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| A | | Hab ich euch so trawrig nie gesehen." | Habe ich Euch noch niemals so traurig gesehen.“
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| A | | Die fraw die sprach: "trawt here mein, | Die Dame sprach: „Mein lieber Herr,
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145 | | | Ir sult eins guten mutes sein, | Ihr mögt guten Mutes sein,
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| | | Und mir gewiret nichte." | Mir fehlt nichts.“
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| | | Sie tet, als sie der here lert, | Sie tat, wie ihr der Herr geraten hatte,
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| A | | Der sie vom teuffel het dernert | Der sie vor dem Teufel
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| A | | Aus iemerlicher pflichte. | Aus furchtbarer Bedrängnis gerettet hatte.
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150 | | K | Gar dick sie do erseuffen gund | Sehr oft seufzte sie nun,
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| | | Und wo sie was alleine. | Wenn sie allein war.
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| A | | Das merckt ir her zu manger stund | Das bemerkte ihr Gatte zu mehreren Malen
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| | | Von seiner frawen reine. | An seiner reinen Ehefrau.
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| | | Wie vil der her sie darumb fragt, | (Doch) wie oft sie der Herr deswegen auch fragte,
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155 | | | So wolt sie in betruben nicht, | Wollte sie ihn nicht betrüben,
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| | | Das sie ym do von nichcz nit sagt. | So dass sie ihm darüber gar nichts erzählte.
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| | | Doch wart wachssen der frawen leib, | Jedoch schwoll der Körper der Frau an,
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| | | Als noch hie tun die zarten weib, | Wie es auch bei uns den jungen Frauen geschieht,
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| | | Wen sie sein schwanger worden. | Wenn sie schwanger geworden sind.
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160 | | | Darnach sie do ein kint gepar. | Anschließend gebar sie ein Kind.
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| | | Sein haut die was mit schwarczem har | Seine Haut war voller schwarzer Haare,
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| A | | Geleich der peren orden. | Wie es bei Bären der Fall ist.
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| | | Der her und auch die fraw erschrack, | Der Herr und auch die Dame erschraken,
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| | | Do sie das kint an sahen. | Als sie das Kind ansahen.
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165 | | | Der her sprach: "was das deuten magk - | Der Herr sprach: „Was kann das bedeuten –
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| | | Ob mich got wil verschmahen? | Will Gott mich verachten?
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| | | Desgleich ich nie gesehen han, | So etwas habe ich noch nie gesehen,
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| | | Wan das kint ist rauch als ein per, | Denn das Kind ist ja behaart wie ein Bär,
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| | | Sein augen rot und schwarcze gran." | Seine Augen sind rot, und es hat schwarze Barthaare.“
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170 | | | Das kint zoch man gar lobesam [Bl. 196r] | Das Kind erzog man auf vortreffliche Weise,
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| | | Pis es zu czwelff iaren kam. | Bis es zwölf Jahre alt wurde.
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| | | Do nam es zu mit krafte, | Da gewann es (derart) an Kräften,
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| | | Das nymant mocht vor ym bestan. | Dass ihm niemand standhalten konnte.
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| | | Vil manig werder kuner man, | Sehr viele angesehene und kühne Männer
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175 | | | Der wart von ym gestrafte, | Wurden von ihm gezüchtigt,
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| | | Das iderman den teuffel floh | So dass jedermann vor diesem Teufel
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| | | Und seinen grimen zoren. | Und seinem grimmigen Zorn floh.
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| | | Wer sich mit vechten gen ym zoch | Wer antrat, gegen ihn zu fechten,
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| | | Und der must sein verloren. | Der war gewiss verloren.
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180 | | | Darumb so floch in iungk und alt. | Deshalb flohen Jung und Alt vor ihm.
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| | | Er wolt den kungk vertreiben | Er wollte den König mit Gewalt
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| | | Von seinen landen mit gewalt. | Aus seinen Landen vertreiben.
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| A | | Grosser untat er sich annam, | Schlimme Verbrechen beging er:
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| | | Was er der iunckfrawen ankom, | Wahrlich, alle Jungfrauen, deren er habhaft werden konnte,
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185 | | | Die schwecht er alle czware. | Schändete er.
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| | | Gar heimelleich so tet er das | Er tat das ganz im Geheimen
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| | | Und darnach ers zu speise as, | Und verzehrte sie danach,
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| | | Das man vil iunckfraw clare | So dass viele schöne Jungfrauen
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| | | Verlas wol in des kunges reich, | Im Reich des Königs verloren gingen,
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190 | | | Dye er al het gefressen. | Die er alle gefressen hatte.
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| | | Betreübet wart der kungk geleich, | Entsprechend wurde der König darüber betrübt,
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| | | Das er sich het vermessen | Dass er (der Sohn) sich angemaßt hatte,
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| | | Zu schwechen vil der iunckfrawen her, | Viele der wunderschönen Jungfrauen zu schänden
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| | | Die er heimlichen alle frass, | Und heimlich alle zu fressen,
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195 | | | Das man ir keine gesah nit mer. | So dass man keine von ihnen mehr zu Gesicht bekam.
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| | | Der edel kunig ausderkorn | Der ausgesprochen herrliche König
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| | | Het mank schone magt verlorn | Hatte sehr viele schöne Jungfrauen
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| A | | Wol von dem argen wichte. | Durch das bösartige Wesen verloren.
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| | | Und sprach zu ym: "werstu mein sun,[Bl. 196v] | Er sprach zu ihm: „Wärst Du mein Sohn,
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200 | | | So solstu adellicher tun. | Müsstest du adliger handeln.
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| | | Dein weis gefelt mir nichte. | Deine Verhaltensweise gefällt mir nicht.
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| | | Werstu von adellichem stam | Wärst du von adliger Abstammung,
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| | | So testu pas geparen." | Verhieltest du dich besser.“
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| | | Do der teuffel die wort vernam, | Als der Teufel diese Worte hörte,
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205 | | | Das tet ym also zoren, | Verursachte ihm das derartigen Zorn,
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| | | Das er dem kunig trug gros has. | Dass er den König sehr hasste.
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| | | Er wolt den vater toten, | Er wollte den Vater töten,
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| | | Wen er verpringen mochte das. | Wenn er es zustande bringen könnte.
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| | | | |
| | | Dem edlen kung vor etlich iarn | Dem edlen König hatte seine Frau vor etlichen Jahren
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210 | | | Het ym sein weib ein sun geparn. | Einen Sohn geboren.
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| | | Der was starck, frum und kune | Der war stark, tapfer und mutig
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| | | Und ym man grosse ere seit. | Und man zollte ihm große Ehre.
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| | | Dem trug der panckhart has und neit | Gegen ihn hegte der Bastard Hass und Neid,
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| A | | Wol umb sein er und schune. | Wegen seiner Ehre und Schönheit.
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215 | | | Der panckhart stellet nach seim leben | Der Bastard trachtete dem Vater
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| | | Dem vater und dem sune. | Und dem Sohn nach dem Leben.
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| | | Er tet ser nach dem kunckreich strebn. | Er strebte sehr nach dem Königreich.
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| | K | Er wolt in den tot tune | Er wollte sie umbringen
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| | | Und er wolt selber here sein. | Und selber Herrscher sein.
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220 | | | Darumb vil mancher werder man | Deswegen erlitten sehr viele ehrenwerte Männer
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| | | Von ym kom in des dotes pein. | Durch ihn einen qualvollen Tod.
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| | | | |
| | | Do der vater und sein sun sach, | Als der Vater und der Sohn bemerkten,
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| | | Das er in also stellet nach | Dass er ihnen in dieser Weise nachstellte,
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| | | Wol umb ir peider leben, | Um sie beide umzubringen,
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225 | | | Do sprach der vater zu seim sun: | Da sagte der Vater zu seinem Sohn:
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| | | "Dein pruder wirt uns den todt tun | „Dein Bruder wird uns umbringen,
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| | | Und hut wir uns nit eben. | Wenn wir uns nicht ganz besonders hüten.
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| | | Mich dunckt nit, das er mein sun sey, | Ich glaube nicht, dass er mein Sohn ist,
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| | | Das er uns wil derstechen.[Bl. 197r] | Wenn er uns erstechen will.
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230 | | | Was wil der arge teuffel frey | Was will der üble, zuchtlose Teufel
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| | | Hie an uns peiden rechen, | Hier an uns beiden rächen,
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| | | Das er uns pringen wil in not? | Dass er uns (derart) in Not bringen will?
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| A | K | Ein sin woln wir wol finden, | Wir wollen uns wohl einen Plan ausdenken,
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| | | Das er mus selber ligen dot." | Dass er selbst zu Tode kommt.“
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| | | | |
235 | | | Der vater sprach zum sun gar schan: | Der Vater sprach zu dem bildschönen Sohn:
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| | | "Wir haben manchen werden man. | „Wir haben viele ehrenwerte Männer.
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| | | Las wir ein mit ym streiten, | Lassen wir einen mit ihm kämpfen,
|
| | | Wan er gros lieb zu morden hat. | Denn er hat großes Wohlgefallen daran, zu morden!
|
| | | Ob ein man in precht in not, | Wenn ein Mann ihn zu Fall brächte,
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240 | | | Der solt zu allen czeiten | Sollte er zu allen Zeiten
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| | | Pei uns der peste sein genant | Bei uns als der Beste
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| | | Ob allen werden fursten." | Von allen erlesenen Fürsten bezeichnet werden.“
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| | | Do das manck werder man bekant, | Als viele kühne Männer dies erfahren hatten,
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| | | Die gunt nach eren dürsten. | Dürsteten sie nach Ehre.
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245 | | | Itlicher sprach: "traut here mein, | Ein jeder sprach: „Mein lieber Herr,
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| | | Wes ir von mir begeret, | Was (auch immer) Ihr von mir verlangt,
|
| | | Des wil ich euch hie dinsthaft sein." | Damit will ich Euch hier dienen.“
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| | | | |
| A | | Die werden held gar wunesam, | Die ehrenwerten, beeindruckend aussehenden Helden
|
| A | | Waren dem rawen alle gram, | Waren dem Behaarten alle feind
|
250 | | | Wol umb sein ubel mute, | Wegen seiner üblen Gesinnung,
|
| | | Das er vil werden manchen man | Da er vielen ehrenwerten Männern
|
| | | Het den pitern tod gethan | Den bitteren Tod gebracht
|
| | | Und vergossen het sein plute. | Und ihr Blut vergossen hatte.
|
| | | Die wolten sie nun rechen al, | Die wollten sie nun alle rächen,
|
255 | | | Darumb komens zu noten. | Dadurch stürzten sie sich ins Verderben.
|
| A | | Wol funfzick man pracht er zu fall, | Wohl fünfzig Männer brachte er zu Fall,
|
| | | Die er all gunte toten, | Die tötete er alle.
|
| | | Die er all nacheinander dot schlug.[Bl. 197v] | Die er alle nacheinander totschlug,
|
| | | Der man ye ein nach dem andern | Die trug man je
|
260 | | | Also dot hin zum grabe trug. | Einen nach dem anderen zu Grabe.
|
| | | | |
| | | Do wolt in nymant mer bestan. | Da wollte niemand mehr gegen ihn antreten,
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| | | In schewet mancher werden man, | Viele ehrenwerte Männer scheuten ihn,
|
| | | Die teten vor ym flichen, | Sie flohen vor ihm,
|
| | | Wol vor dem teuffel ungehewr. | Dem teuflischen Ungeheuer.
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265 | | | Dem kung dem wurd freude teur. | Dem König wurde Freude selten.
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| A | | Auf sein pest schlos do gunt er czichen, | Er zog auf sein bestes Schloss.
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| | | Dasselbig schlos das spert er zu | Dieses Schloss verriegelte er
|
| | | Vor dem schewchslichen kunder. | Vor dem scheußlichen Untier.
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| | | Der arge teuffel het kein ru. | Der schlimme Teufel gab keine Ruhe.
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270 | | K | Nun mügt ir horen wunder: | Nun könnt ihr Staunenswertes hören:
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| A | | Er scheuchet weder pfeill noch gschos, | Er scheute weder Pfeil noch Geschoss,
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| | | Des schlosses tor das stis er auf | Das Schlosstor stieß er auf
|
| | | Mit einem mordiglichen stos. | Mit einem mörderischen Stoß.
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| | | | |
| | | Die weil het sich gewapet an | In der Zwischenzeit hatten sich
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275 | | | Der kung, der sun und die fraw schon | Der König, der Sohn und die schöne Frau
|
| | | In stahel und yn eissen. | In Stahl und in Eisen gewappnet.
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| | | Der kung sprach: ›nun helffet mir, | Der König sprach: „Nun helft mir,
|
| A | | Das wir toten das arge tir; | Damit wir das furchtbare Tier töten können;
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| | | Dar umb wirt man uns preissen. | Dafür wird man uns preisen.
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280 | | | Ob ich das thir gemachet han, | Dass ich das Untier gezeugt habe,
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| | | Des kan ich nit gelauben. | Das kann ich nicht glauben.
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| | | Er ist der teuffel weideman, | Er ist der Jäger der Teufel,
|
| | | Er wil uns hie berauben | Er will uns hier
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| | | Des kunigreichs, merket eben. | Des Königreichs berauben, seid Euch dessen bewusst.
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285 | | | Darumb wil er uns pringen | Deswegen will er uns alle drei
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| | | Alle drey umb unsser lebn. | Um unser Leben bringen.“
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| | | | |
| | | Der rauch kom zu in in den sall[Bl. 198r] | Der Behaarte kam zu ihnen in die Halle,
|
| | K | Und schlug auf sie gar unczal | Und schlug auf sie
|
| | | Der starcken schleg so schwere. | Mit unzähligen starken Schlägen sehr hart ein.
|
290 | | | Der vater und sein lieber sun | Der Vater und sein lieber Sohn
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| | | Die teten, was sie mochten tun. | Taten, was sie zu tun vermochten.
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| | | Die edel kungin here, | Die edle und vortreffliche Königin,
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| | | Die edel kungin hoch genant | Die edle, hoch gepriesene Königin
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| | | Die lies sich nit verdrissen. | War unermüdlich.
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295 | A | | Sie het ein pogen in der hant, | Sie hatte einen Bogen in der Hand,
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| | | Do mit do gund sie schissen | Mit dem schoss sie
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| | | In den rauchen vil manchen pfeil. | Sehr viele Pfeile in den Behaarten.
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| | | Doch schlug er tiffe wunden | Doch er schlug in der Zwischenzeit
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| | | Dem vater und dem sun die weil. | Dem Vater und dem Sohn tiefe Wunden.
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300 | | | Die muter vil pfeil in in schos | Die Mutter schoss viele Pfeile in ihn,
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| | | Und das vil plutes aus ym flos, | So dass viel Blut aus ihm floss,
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| | | Das es schwam auf dem salle. | Und auf dem Boden der Halle schwamm.
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| A | | Der vater und der sun do mit | Der Vater und der Sohn
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| | | Ym manche tiffe wunden schrit, | Schnitten ihm dabei viele tiefe Wunden,
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305 | | | Das er tet einen falle. | So dass er stürzte.
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| | | Der vater und sein lieber sun | Der Vater und sein lieber Sohn
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| | | Sich an dem rauhen rachen. | Rächten sich an dem Behaarten.
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| | | Der stiche heten sym vil tun, | Viele Stiche hatten sie ihm beigebracht,
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| | | Pis das sie in derstachen. | Bis sie ihn erstochen hatten.
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310 | | | Darzu halff yn das werde weib, | Dabei half ihnen die ehrenwerte Frau,
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| | K | Und das do wart erneret wol | So dass die drei hiermit
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| | | Hie vor dem tod der dreyer leib. | Vor dem Tode gerettet wurden.
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| | | Do nun der rauche lage tot, | Als nun der Behaarte tot da lag,
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| A | K | Der kunck sprach: "fraw, nun sagt dur got, | Sprach der König: „Herrin, nun sagt bei Gott,
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315 | | | Wie habt ir in enpfangen?[Bl. 198v] | Wie habt Ihr ihn empfangen?
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| | | Das sagt uns sicherlichen eben, | Das erzählt uns ganz genau,
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| | | Es sol euch alles sein vergeben, | Es soll Euch alles vergeben sein,
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| | | Ob ir het myssegangen." | Solltet Ihr einen Fehltritt getan haben.“
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| | | Die fraw die sprach: "mein lieber her, | Die Dame antwortete: „Mein lieber Herr,
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320 | | | Last mich pei ewrer hulde! | Lasst mich in Eurer Huld!
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| | | Ich gynng spacziren nit gar fer, | Ich bin spazieren gegangen, nicht zu weit,
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| | | Do durch kom ich in schulde. | Dadurch habe ich mich schuldig gemacht.
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| | | Do fing mich also graussamlich | Da fing mich aufs grausamste
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| | | Ein schewchssliches merwunder | Ein scheußliches Meerwunder
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325 | | | Und das det ser beczwingen mich." | Und es vergewaltigte mich (äußerst) brutal.“
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| | | Der kung der sprach: "trawt frawe mein, | Der König sprach: „Meine geliebte Ehefrau,
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| | | Das sol euch gar vergeben sein, | Das soll Euch gänzlich vergeben sein,
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| | | Seit ir sein wurt beczwungen. | Da Ihr dazu gezwungen worden seid.
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| A | | Nun sagt mir, ob es euch zym, | Jetzt erzählt mir, wenn es Euch beliebt,
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330 | | | Und wie ir kumen seit von ym | Wie Ihr ihm entkommen seid,
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| | | Und do es euch mislungen?" | Als Euch das Unglück zugestoßen ist?“
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| | K | "Ich sach ew sicherlich fur war: | „Ich sage Euch die volle Wahrheit:
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| | | Ein her der gunt herczichen. | Ein Edelmann kam vorbeigeritten.
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| | | Ich ruft in an mit noten gar, | Ich rief ihn an in großer Not;
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335 | | | Das merwunder gunt flichen. | Das Meerwunder machte sich auf und davon.
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| | | Der her der half mir do aus not | Der Herr hat mir da aus der Not geholfen
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| | | Und tet mich heim beleiten. | Und mich nach Hause begleitet.
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| | | Des sol ym ymer dancken got." | Das soll ihm Gott immer danken.“
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| | | | |
| | | "Ir ausderwelte fraw so fein, | „Ihr ausgesprochen schöne Dame,
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340 | | | Und mocht es noch pei leben sein, | Wenn es noch am Leben wäre,
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| | | Das selbig merewunder, | Dieses Meerwunder,
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| | | So wolt senden ich euch do hin, | So wollte ich Euch dahin schicken –
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| | | Ob noch zu euch ym stund sein syn,[Bl. 199r] | Wenn ihm immer noch der Sinn nach Euch stünde –
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| | | Das wir das scheuchslich kunder | So dass wir das scheußliche Untier
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345 | | | Auch mochten toten zu der stund, | Ebenfalls bei dieser Gelegenheit töten könnten
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| | | Und das ir wurt gerochen. | Und Ihr gerächt würdet.
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| A | K | Dodurch so wurd mir freude kunt | Dadurch erführe ich Freude
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| | | Und als mein leit zuprochen." | Und all mein Leid verginge.“
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| | | Die fraw die sprach: "des weis ich nicht. | Die Dame antwortete: „Das weiß ich nicht.
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350 | | | Ich tu was ir gepitet, | Ich werde tun, was Ihr gebietet,
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| | | Was mir halt darumb geschicht." | Was immer mir dadurch geschieht.“
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| | | Er sprach: "zart fraw, so get so drat, | Er sprach: „Anmutige Dame, so geht sogleich dorthin,
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| | | Do euch der arg genotet hat, | Wo Euch der Furchtbare in Not gebracht hat,
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| | | So wil ich und mein sune | So wollen ich und mein Sohn uns
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355 | | | Verporgen ligen auch dopei. | Auch dort verstecken.
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| A | | Wir wollen trewlichen sten euch frei, | Wir werden Euch treu zur Seite stehen,
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| | | Das er euch nichcz mag tune." | So dass er Euch nichts tun kann.“
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| | | Die fraw legt an ir zirlich wat | Die Dame legte ihr hübsches Gewand an,
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| A | | Mit schonheit manigfalde | Vielfältig schön geziert,
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360 | | | Und ging dar zu des meres flut. | Und ging zum Meer.
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| | | Das merwunder kom palde. | Das Meerwunder erschien kurz darauf.
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| | | Do heten sich verporgen schon | Da hatten sich
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| | | Der vater und sein lieber sun; | Der Vater und sein lieber Sohn bereits verborgen;
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| | | Das merwunder in nit entran. | Das Meerwunder entrann ihnen nicht.
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| | | | |
365 | | | Sie fingen do das merwunder. | Sie überwältigten da das Meerwunder.
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| | | Do sprach die edel fraw so her: | Da sprach die edle, äußerst vornehme Dame:
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| | | "Ich wil mich an ym rechen!" | „Ich will mich an ihm rächen!“
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| | | Und sie nam ires heren schwert. | Und sie nahm das Schwert ihres Gatten.
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| | | Sie sprach: "des han ich lang begert, | Sie sprach: „Das habe ich mir lange gewünscht,
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370 | | | Das ich dich sol derstechen. | Dass ich dich erstechen werde.
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| | | Du hast betrubet mir den sin[Bl. 199v] | Du hast mich unglücklich gemacht
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| A | | und pracht zw grossem grawen." | Und mir großes Grauen bereitet.“
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| | | Das schwert das stach sie dick durch yn. | Sie stach mehrmals das Schwert in ihn.
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| | | Sie sprach: ›du solt kein frawen | Sie sprach: „Du sollst niemals mehr Frauen
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375 | | | Nimer pringen in solche not!‹ | In solche Not bringen!“
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| | | Das swert das stach sie dick durch in, | Das Schwert stach sie (so) oft durch ihn,
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| | | Pis das er vor ir lage dot. | Bis er tot vor ihr lag.
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| | | | |
| | | Do sprach der kunig und sein sun: | Da sprachen der König und sein Sohn:
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| A | | "Fraw, ir habt euch gerochen nun, | „Herrin, nun habt Ihr Euch gerächt,
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380 | | | Ir solt nun gar fro seine. | Ihr könnt nun ganz erleichtert sein.
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| | | Und habt furpas ein guten mut | Und seid künftig guten Mutes,
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| | | Und nimer also torlich tut | Handelt nicht mehr so leichtsinnig,
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| | | Und das ir get alleine | Dass Ihr künftig allein
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| | | Spacziren furpas an das mer, | An das Meer spazieren geht.
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385 | | | So mag euch nit misslingen. | Dann kann Euch nichts Schlimmes passieren.
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| A | | Sein sun het manchen helt so her | Sein Sohn hat manchen sehr tapferen Helden
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| | | Hie umb sein leben pringen. | Hier um sein Leben gebracht.
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| | | Auch wolt er uns han pracht in not, | Auch uns wollte er in Bedrängnis bringen,
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| | | Doch hat uns got geholffen, | Doch Gott hat uns geholfen,
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390 | | | Das sie von uns peid ligen dot." | Dass sie beide durch uns tot da liegen.“
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| | | Do czugen sie mit freuden hein | Da zogen sie mit Freuden heim,
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| | | Der kunck, der sun, die fraw so rein | Der König, sein Sohn und die makellose Dame
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| | | In also hohen eren. | Mit überaus großer Ehre.
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| | | Die sach die plib also verschwign, | Die Angelegenheit blieb gänzlich verschwiegen,
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395 | | | Die fraw wart keiner uner czigen. | Die Dame wurde keiner Unehre bezichtigt.
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| | | Dopei so nemet lere, | Daraus zieht die Lehre,
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| A | K | Das man in solchen sachen sei | Dass man in solchen Angelegenheiten
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| | | Verschwigen und getrewe. | Verschwiegen und treu sein muss.
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| | K | Wer das dut, der ist eren frei | Wer sich so verhält, der erhält sich seine Ehre (?)
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400 | | | Und pringet im kein rewe. | Und es bringt ihm keine Reue.
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| A | | Wan es ist der welt sit also, | Denn es ist auf der Welt nun einmal so,
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| | | Das mancher hie auf erden ist | Dass mancher hier auf Erden
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| | K | Des seinen nechsten ungluck fro. | Froh über das Unglück seines Nächsten ist.
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