Universität Stuttgart
Germanistische Mediävistik | Impressum

Editionsprinzipien

Editionsprinzipien

Wir haben die drei Textversionen des ‚Meerwunders‘ nach modernen Prinzipien (s.u.) ediert und, da fränkisches Frühneuhochdeutsch auch für Fachleute mitunter seine Tücken besitzt, erstmals übersetzt. Hiermit hoffen wir, auch Interessierte jenseits der Altgermanistik mit den Texten näher vertraut machen zu können.
Bei unseren Editionen musste die zum Teil deutlich unterschiedliche Überlieferungssituation der Gedichte berücksichtigt werden.

Für die beiden Texte, deren Überlieferungsträger uns unmittelbar vorlagen (‚Meerwunder‘, ‚Die kunigin peschlieff ein merwunder‘), gelten folgende Prinzipien: Die Texte sind weitgehend modernen Lesegewohnheiten angepasst. Es wurde nach gegenwärtigen Regeln interpungiert, zudem sind u/v und i/j ausgeglichen; u/w wurde hingegen nur in einem einzigen Fall, nämlich bei Sachs (1552) V. 62 thwet --> thuet geändert. Vokalisches b und y werden ebenso wenig ausgeglichen wie fränkische Eigenheiten im Konsonantismus. Eine frühneuhochdeutsche graphische „Normalisierung“ wird nicht angestrebt, dasselbe Wort mag also innerhalb eines Textes oder verschiedener Meerwunder-Fassungen in unterschiedlicher Gestalt erscheinen. Großschreibung erfolgt nur bei Namen und am Beginn eines neuen Verses, auch gegen die Handschrift. Im ersten Apparat erscheint das Lemma aber in der originalen Groß- bzw. Kleinschreibung. Eingriffe in den Wortlaut der Handschrift werden durch Kursivierung angezeigt, alternativ durch spitze Klammern bei offenbar mechanischem Ausfall (etwa: Nichtübernahme eines anzunehmenden Kürzungszeichens in der Vorlage). Abkürzungen in der Handschrift, z.B. gängige Kürzel wie Nasalstriche, werden aufgelöst.

Da die Handschrift, die Sachs‘ Spruchgedicht von 1562 überliefert, verschollen ist, engt sich unser editorischer Handlungsspielraum bei dieser ‚Meerwunder‘-Adaptation zwangsläufig ein. Wir greifen nur bei grammatischen Fehlern der Vorgängeredition von Keller/Goetze ein und erleichtern das Lesen durch eine moderne Interpunktion. Dies führt unter anderem dazu, dass die vorliegenden Satzeinheiten zum Teil deutlich kürzer als in der Vorgänger-Ausgabe sind. Andere Gepflogenheiten wie Groß- und Kleinschreibung und u/v-Ausgleich entsprechen bei Keller/Goetze modernen Standards und mussten deshalb nicht verändert werden.

Allen drei Editionen sind zwei Apparate beigefügt: Der erste (Lesartenapparat) verzeichnet sämtliche Abweichungen der Handschrift gegenüber dem darüber befindlichen Editionstext, dazu Korrekturen in der Handschrift sowie besonders bemerkenswerte Eigenheiten derselben, etwa marginale Einschübe oder Kommentare sowie Unterstreichungen. Der zweite (Kommentarapparat) weist auf relevante Abweichungen des Editionstextes zu anderen Editionen hin und markiert ggf. aus diesen übernommene Konjekturen. Zudem gibt er knappe Verständnishilfen, vor allem bei „falschen Freunden“, sowie einige sprachliche Erläuterungen und Hinweise auf den Textinhalt.

Die beigegebenen Übersetzungen sollen den Kommentarapparat deutlich entlasten, die meisten Fragen an den frühneuhochdeutschen Primärtext beantworten sich (hoffentlich) durch einen Blick in diese. Darüber hinaus streben die Übersetzungen die größte uns mögliche Präzision bei der Übertragung der ursprünglichen Meerwunder-Texte in verständliches und (etwa auch Studenten und jüngeren Lesern) geläufiges Neuhochdeutsch an. Eine ästhetische Eigenwertigkeit beanspruchen die Übersetzungen dabei nicht.