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Das Meerwunder

Meerwunder – Editionstexte

Das Meerwunder [PDF]

Nun hort und schweigt zu disser stunt:[Bl. 193r]
Ich mach euch abentewer kunt
Von einer kungine.
ADie was eim kunig lobesan.
5ADo wuchs ein teuffellicher man,
Der wolt die frawen gewine.
AKEr tet ir leides gar genug,
Als ir hernach wert horen.
Er was so grimig und unfug,
10Al weib wolt er betoren.
Er trug den reinen frawen has.
Wo ym eine mocht werden,
Die schwecht er und sie darnach fras.
 
Nun mogt ir horen, wan er kom,
15Derselbe teuffellische stom,
Von wem er wurd geporen:
Es sass ein edel fraw so her
KIn Luneria pei dem mer,
Ein kungin ausderkoren.
20Die ging spacziren fur den walt
Dort pei dem mer so wilde.
Do kom ein merwunder gar palt,
Ein graussamliches pilde.
Das schwecht die frawen ausderkorn
25Mit noten uber iren danck.
Dovon der weidman wart geporn.
 
Die fraw die leid gros angst und not,
sie wer nahent gestorben dot [Bl. 193v]
Wol von dem merewunder.
30KEr czwanck sie uber iren danck
Und das die fraw wart totlich kranck
Von dem graussamen kunder:
Es het fus als ein fledermaus
Und was rauch als ein pere,
35Ging aufgericht in hohem praus,
Recht als es ein mensch were.
Es het augen nach falcken art,
Sein maul was einer spane weit,
Uber sein prust so ging sein part.
 
40ADie fraw gar nachent tot beleib,
Pis das der teuffel do vertreib
Sein lust do mit der frawen.
Sie sprach: "awe der grossen not!
Nun wolt ich lieber ligen dot
45Den das ich hie sol schawen:
So gar ein ungehewres pild
Sol mir mein leib beczwingen.
AKO her, nun pis mein schirm und schilt,
Las mir nit misselingen!
50Sol ich dem wessen untertan,
Der als ein teuffel ist gestalt?
Nit lang ich das gedulden kan."
 
Do reit ein edel furst so her,
ADer gunt do iagen pei dem mer
55hirs, hinden und manck wilde.[Bl. 194r]
Do schrey die fraw so wol getan:
"Helft mir, ir tugenthafter man,
Hie von des teuffels pilde!"
Das merwunder hub sich darvon
60Und het sich schir verkrochen.
ADo sprach der furst so wol getan:
"Fraw, was hat euch geprochen,
Das ir so iemerlichen schreit?
Sagt mir ewr not und all ewr clag.
65Kan ich, ir wert von mir gefreit."
 
Do sprach die fraw gar wol getan:
A"Ach her, ich was in dissen tan
ADurch kurzweil her gegangen.
Do kom ein graussamlicher degen,
70Der hat gewalcz hie mit mir pflegen.
Mir wart nie zeit so langen.
Nun hat euch got wol her gesant,
Es wer gewest mein ende!
ADo ir komt, der teuffel verschwant
75Von mir also behende.
Und wert ir mir zu trost nit kumen,
Ich mein, das teuffellische pild
AHet mir mein leben gar genumen.
 
Des ist bekumert hie mein sin."
80Er sprach: "wo ist der teuffel hin?
fur war, ich wolt euch rechen.
Und das ich in mocht kumen an,
Sein leben must er mir hie lan
Oder must mir meins prechen.
85Nun sagt mir, werde fraw so zart,[Bl. 194v]
Und wo er hin sey kumen."
Do sprach die fraw von hoher art:
"Des hab ich nit vernumen
Und wo der teuffel kumen ist.
90Ich mein, er sey im wildem mer,
Dar in sein wanung ist al frist."
 
Do sprach der edel furst so zart,
Der was ein here in Lampart:
"So zichet mit mir heime
95Und al ewr sorg die sey gelegen.
Man sol ewr tugentlichen pflegen
Als zarten frawen reine."
Sie sprach: "mein her, des danck euch got,
Edler her so lobesane.
100Det ichs verleit, so sturb doch dot
Doheym mein lieber mane.
Do ich heut morgen von ym ging,
Doch gab er mir lieblich sein kuss,
Mit armen schon er mich umbfing.
 
105Ich kan sein nymer mer verclagen,
Das ich mich tet so vere wagen
Her in die grunen awen,
Das ich mein er verloren han.
Ich mein, auf erden nie kein man
110Gewan als lieb ein frawen
Als mych mein her in ganczer lieb
Het lieb von ganczem herczen.
Nun hot der teuffellische dieb
Gemert mein leid und schmerczen,
115Der mir mein er genumen hot.[Bl. 195r]
Und wirt sein yn mein lieber her,
Ich sprich fur war, so stirbt er dot."
 
K"Ach fraw, nun lat ewr senes clagn,
Do von do sol man nymant sagen,
120Ir wurd der sach beczwungen.
Wolt ir, ich gib euch gut geleit,
Pis ir kumpt in ewr sicherheit.
Hot es euch mysselungen,
So secht euch furpas eben fur
125Und tut nit mer spacziren
Allein für ewres hausses tur,
KSo pleibt ir wol pei wiren.
Das sol euch sein ein warung gut
Und get nit furpas in den hag,
130Ir wist den, das ir seit behut."
 
Die aussderwelte fraw gemeit
Der edel furste heim beleit
Pis an ir gut gewere.
Die fraw die was betrubet ser,
135Wan sie gedacht wol an ir er,
Ir hercz das was ir schwere.
Das gunt mercken der kunck lobsan,
Das sie was ser betrübet.
Er sprach: "zart fraw, was ligt euch an,
140Das ir in leit euch ubet?
Was pricht euch, was ist euch geschechen?
Die weil ir habt gewant pei mir,[Bl. 195v]
AHab ich euch so trawrig nie gesehen."
 
ADie fraw die sprach: "trawt here mein,
145Ir sult eins guten mutes sein,
Und mir gewiret nichte."
Sie tet, als sie der here lert,
ADer sie vom teuffel het dernert
AAus iemerlicher pflichte.
150KGar dick sie do erseuffen gund
Und wo sie was alleine.
ADas merckt ir her zu manger stund
Von seiner frawen reine.
Wie vil der her sie darumb fragt,
155So wolt sie in betruben nicht,
Das sie ym do von nichcz nit sagt.
 
Doch wart wachssen der frawen leib,
Als noch hie tun die zarten weib,
Wen sie sein schwanger worden.
160Darnach sie do ein kint gepar.
Sein haut die was mit schwarczem har
AGeleich der peren orden.
Der her und auch die fraw erschrack,
Do sie das kint an sahen.
165Der her sprach: "was das deuten magk -
Ob mich got wil verschmahen?
Desgleich ich nie gesehen han,
Wan das kint ist rauch als ein per,
Sein augen rot und schwarcze gran."
 
170Das kint zoch man gar lobesam [Bl. 196r]
Pis es zu czwelff iaren kam.
Do nam es zu mit krafte,
Das nymant mocht vor ym bestan.
Vil manig werder kuner man,
175Der wart von ym gestrafte,
Das iderman den teuffel floh
Und seinen grimen zoren.
Wer sich mit vechten gen ym zoch
Und der must sein verloren.
180Darumb so floch in iungk und alt.
Er wolt den kungk vertreiben
Von seinen landen mit gewalt.
 
AGrosser untat er sich annam,
Was er der iunckfrawen ankom,
185Die schwecht er alle czware.
Gar heimelleich so tet er das
Und darnach ers zu speise as,
Das man vil iunckfraw clare
Verlas wol in des kunges reich,
190Dye er al het gefressen.
Betreübet wart der kungk geleich,
Das er sich het vermessen
Zu schwechen vil der iunckfrawen her,
Die er heimlichen alle frass,
195Das man ir keine gesah nit mer.
 
Der edel kunig ausderkorn
Het mank schone magt verlorn
AWol von dem argen wichte.
Und sprach zu ym: "werstu mein sun, [Bl. 196v]
200So solstu adellicher tun.
Dein weis gefelt mir nichte.
Werstu von adellichem stam
So testu pas geparen."
Do der teuffel die wort vernam,
205Das tet ym also zoren,
Das er dem kunig trug gros has.
Er wolt den vater toten,
Wen er verpringen mochte das.
 
Dem edlen kung vor etlich iarn
210Het ym sein weib ein sun geparn.
Der was starck, frum und kune
Und ym man grosse ere seit.
Dem trug der panckhart has und neit
AWol umb sein er und schune.
215Der panckhart stellet nach seim leben
Dem vater und dem sune.
Er tet ser nach dem kunckreich strebn.
KEr wolt in den tot tune
Und er wolt selber here sein.
220Darumb vil mancher werder man
Von ym kom in des dotes pein.
 
Do der vater und sein sun sach,
Das er in also stellet nach
Wol umb ir peider leben,
225Do sprach der vater zu seim sun:
"Dein pruder wirt uns den todt tun
Und hut wir uns nit eben.
Mich dunckt nit, das er mein sun sey,
Das er uns wil derstechen.[Bl. 197r]
230Was wil der arge teuffel frey
Hie an uns peiden rechen,
Das er uns pringen wil in not?
AKEin sin woln wir wol finden,
Das er mus selber ligen dot."
 
235Der vater sprach zum sun gar schan:
"Wir haben manchen werden man.
Las wir ein mit ym streiten,
Wan er gros lieb zu morden hat.
Ob ein man in precht in not,
240Der solt zu allen czeiten
Pei uns der peste sein genant
Ob allen werden fursten."
Do das manck werder man bekant,
Die gunt nach eren dürsten.
245Itlicher sprach: "traut here mein,
Wes ir von mir begeret,
Des wil ich euch hie dinsthaft sein."
 
ADie werden held gar wunesam,
AWaren dem rawen alle gram,
250Wol umb sein ubel mute,
Das er vil werden manchen man
Het den pitern tod gethan
Und vergossen het sein plute.
Die wolten sie nun rechen al,
255Darumb komens zu noten.
AWol funfzick man pracht er zu fall,
Die er all gunte toten,
Die er all nacheinander dot schlug.[Bl. 197v]
Der man ye ein nach dem andern
260Also dot hin zum grabe trug.
 
Do wolt in nymant mer bestan.
In schewet mancher werden man,
Die teten vor ym flichen,
Wol vor dem teuffel ungehewr.
265Dem kung dem wurd freude teur.
AAuf sein pest schlos do gunt er czichen,
Dasselbig schlos das spert er zu
Vor dem schewchslichen kunder.
Der arge teuffel het kein ru.
270KNun mügt ir horen wunder:
AEr scheuchet weder pfeill noch gschos,
Des schlosses tor das stis er auf
Mit einem mordiglichen stos.
 
Die weil het sich gewapet an
275Der kung, der sun und die fraw schon
In stahel und yn eissen.
Der kung sprach: ›nun helffet mir,
ADas wir toten das arge tir;
Dar umb wirt man uns preissen.
280Ob ich das thir gemachet han,
Des kan ich nit gelauben.
Er ist der teuffel weideman,
Er wil uns hie berauben
Des kunigreichs, merket eben.
285Darumb wil er uns pringen
Alle drey umb unsser lebn.
 
Der rauch kom zu in in den sall[Bl. 198r]
KUnd schlug auf sie gar unczal
Der starcken schleg so schwere.
290Der vater und sein lieber sun
Die teten, was sie mochten tun.
Die edel kungin here,
Die edel kungin hoch genant
Die lies sich nit verdrissen.
295ASie het ein pogen in der hant,
Do mit do gund sie schissen
In den rauchen vil manchen pfeil.
Doch schlug er tiffe wunden
Dem vater und dem sun die weil.
 
300Die muter vil pfeil in in schos
Und das vil plutes aus ym flos,
Das es schwam auf dem salle.
ADer vater und der sun do mit
Ym manche tiffe wunden schrit,
305Das er tet einen falle.
Der vater und sein lieber sun
Sich an dem rauhen rachen.
Der stiche heten sym vil tun,
Pis das sie in derstachen.
310Darzu halff yn das werde weib,
KUnd das do wart erneret wol
Hie vor dem tod der dreyer leib.
 
Do nun der rauche lage tot,
AKDer kunck sprach: "fraw, nun sagt dur got,
315Wie habt ir in enpfangen?[Bl. 198v]
Das sagt uns sicherlichen eben,
Es sol euch alles sein vergeben,
Ob ir het myssegangen."
Die fraw die sprach: "mein lieber her,
320Last mich pei ewrer hulde!
Ich gynng spacziren nit gar fer,
Do durch kom ich in schulde.
Do fing mich also graussamlich
Ein schewchssliches merwunder
325Und das det ser beczwingen mich."
 
Der kung der sprach: "trawt frawe mein,
Das sol euch gar vergeben sein,
Seit ir sein wurt beczwungen.
ANun sagt mir, ob es euch zym,
330Und wie ir kumen seit von ym
Und do es euch mislungen?"
K"Ich sach ew sicherlich fur war:
Ein her der gunt herczichen.
Ich ruft in an mit noten gar,
335Das merwunder gunt flichen.
Der her der half mir do aus not
Und tet mich heim beleiten.
Des sol ym ymer dancken got."
 
"Ir ausderwelte fraw so fein,
340Und mocht es noch pei leben sein,
Das selbig merewunder,
So wolt senden ich euch do hin,
Ob noch zu euch ym stund sein syn,[Bl. 199r]
Das wir das scheuchslich kunder
345Auch mochten toten zu der stund,
Und das ir wurt gerochen.
AKDodurch so wurd mir freude kunt
Und als mein leit zuprochen."
Die fraw die sprach: "des weis ich nicht.
350Ich tu was ir gepitet,
Was mir halt darumb geschicht."
 
Er sprach: "zart fraw, so get so drat,
Do euch der arg genotet hat,
So wil ich und mein sune
355Verporgen ligen auch dopei.
AWir wollen trewlichen sten euch frei,
Das er euch nichcz mag tune."
Die fraw legt an ir zirlich wat
AMit schonheit manigfalde
360Und ging dar zu des meres flut.
Das merwunder kom palde.
Do heten sich verporgen schon
Der vater und sein lieber sun;
Das merwunder in nit entran.
 
365Sie fingen do das merwunder.
Do sprach die edel fraw so her:
"Ich wil mich an ym rechen!"
Und sie nam ires heren schwert.
Sie sprach: "des han ich lang begert,
370Das ich dich sol derstechen.
Du hast betrubet mir den sin[Bl. 199v]
Aund pracht zw grossem grawen."
Das schwert das stach sie dick durch yn.
Sie sprach: ›du solt kein frawen
375Nimer pringen in solche not!‹
Das swert das stach sie dick durch in,
Pis das er vor ir lage dot.
 
Do sprach der kunig und sein sun:
A"Fraw, ir habt euch gerochen nun,
380Ir solt nun gar fro seine.
Und habt furpas ein guten mut
Und nimer also torlich tut
Und das ir get alleine
Spacziren furpas an das mer,
385So mag euch nit misslingen.
ASein sun het manchen helt so her
Hie umb sein leben pringen.
Auch wolt er uns han pracht in not,
Doch hat uns got geholffen,
390Das sie von uns peid ligen dot."
 
Do czugen sie mit freuden hein
Der kunck, der sun, die fraw so rein
In also hohen eren.
Die sach die plib also verschwign,
395Die fraw wart keiner uner czigen.
Dopei so nemet lere,
AKDas man in solchen sachen sei
Verschwigen und getrewe.
KWer das dut, der ist eren frei
400Und pringet im kein rewe.
AWan es ist der welt sit also,
Das mancher hie auf erden ist
KDes seinen nechsten ungluck fro.

4: ein
5: wusch
7: genungt
40: vor beleib gestr. schlug
48: und fehlt (Konjektur)
54: gunt schwer lesbar, ggf. gomt
61: fursch
67: Ach korr. aus Ich
68: kurweil
74: komp
78: mein fehlt (Konjektur)
143: trawig
143: nie fehlt (Konjektur)
144: hinter trawt gestr. fraw
148: von
149: iemerliche
152: merck
162: orden: r über der Zeile nachgetragen
183: nam korr. aus nom
198: den
214: vor sein er gestr. sein
233: wol
248: wunesam: e über n nachgetragen
249: Warem
256: funfick
256: prach
256: hinter prach gestr. ens
266: Auf: u über A, wohl nachgetragen
271: wider
278: toten: zweites t unleserlich
295: heten
303: der₂] dem
314: dar
329: es über der Zeile nachgetragen
347: freude fehlt (Konjektur)
356: ungestrichenes p vor euch
359: vor falde gestr. fah
372: und... grawen: Vers über der Zeile nachgetragen und eingewiesen
379: habp
386: het pringen: Kofler konjiziert: tet pringen. Mit Blick auf V. 70 ist flektiertes Modalverb plus Infinitiv aber möglich.
397: sache fehlt (Konjektur)
401: hinter sit gestr. e

7: ir: Kofler: in
18: Luneria: nicht identifizierbare Ortsangabe, vgl. Fichtner, S. 226
30: Er: constructio ad sensum, da merwunder stn, das natürliche Geschlecht des Meerwunders aber männlich ist. Vgl. V. 243f.
48: pis zu wis: Imperativ Sg., stv.: ›Sei‹
48: und: Konjektur aus metrischen und inhaltlichen Gründen; Fuchs, Kofler verzichten auf Konjektur.
118: senes clagn: senes zu adj. senec: ›schmerzlich‹
127: wire wohl zu swf. wirde (dann Reimhärte?), evtl. nicht belegte Ableitung von wirekeit, stf. ›Gesunderhaltung‹
150: erseuffen: Kofler konjiziert: erseufzen
218: tune: Kofler: tane
233: woln: Konjektur mit Kofler
270: Kofler liest: heren
288: unczal: Fuchs, Kofler lesen: une zal Kofler konjiziert: ane zal
311: Und: hier 'so', auch V. 346
311: erneret wol: Kofler zählt wol gegen die Handschriftenrubrizierung zum Folgevers.
314: dur: Konjektur mit Kofler
332: ew: Fuchs, Kofler lesen: ein
347: freude: Konjektur mit Kofler
397: sache: Die Konjektur erfolgt aus metrischen und inhaltlichen Gründen. Der Verfasser neigt zudem zu S-Alliterationen, vgl. etwa V. 289. Fuchs verzichtet auf eine Konjektur. Kofler konjiziert: solchen dingen
399: Kofler konjiziert: +nit eren frei
403: Kofler konjiziert: unglucks